Archiv für 10. Oktober 2009

Bitte nicht Schlängeln

Wenn es um Verkehr und Umwelt geht, winden sich Parteien in ihren Wahlprogrammen und dreschen alte Phrasen, meint Brigitte Haschek.

Wie heißt es noch bei Wilhelm Busch? “Wofür sie besonders schwärmt, wenn es wieder aufgewärmt.” Was der Witwe Bolte das Sauerkraut, ist den Volksvertretern jeder Couleur der Verkehr auf der Straße, auf der Schiene, zu Wasser und in der Luft. “Mobilität muss bezahlbar bleiben” – diese launige Weise singen CDU und SPD im Duett. Und den alten Schlager, mit dem sie die Zugabe bestreiten, hört man schon ungefähr so lange, wie mir das Wahlrecht verliehen wurde: “Wir wollen mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern.” Die Grünen stimmen fröhlich ein und übernehmen die dritte Stimme: “Verkehrsverlagerung auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel und auf konsequent Umwelt- und Klimaschonende Verkehrstechnik.”

Und bitte,wie soll das aussehen? Die grüne Antwort: “Fahrradmitnahme im ICE.” Dafür ist auch die Linke. Na,das wird richtig kuschelig in den ohnehin schon viel zu oft überfüllten Fernzügen, wenn auch noch Drahtesel das Durchkommen beim Gepäck-Ausweich-Slalom vollends unmöglich machen. Oder soll jeder ICE etwa einen Fahrrad-Anhänger bekommen?

Dunkelrot-Grüner Schulterschluss auch in Stoßrichtung Geschwindigkeitsbegrenzung: Tempo 120 auf Autobahnen fordern beide Wahlkampfprogramme. Die Grünen wollen zudem Tempo 80 auf Landstraßen, “um das Wettrüsten um die stärksten Motoren zu beenden”. Welcher Einfaltspinsel ist denn auf diese Begründung gekommen? Ein klügerer Kopf mit wachen Augen für die eigenen Polit-Ziele hätte mit der Verkehrssicherheit argumentiert – immerhin sind auf Landstraßen fast sechs Mal mehr Verkehrstote als auf Autobahnen zu beklagen. “Den Straßenverkehr sicherer machen mit dem Ziel, die Zahl der Verkehrstoten auf null zu reduzieren”, postuliert “der grüne neue Gesellschaftsvertrag” doch an anderer Stelle.

Auf einer Linie sind die Polit-Rivalen dagegen in Sachen Elektromobilität: CDU und SPD können ja nicht anders – von ihrer Koalitionsregierung stammt bekanntlich der “Aktionsplan zum Elektroauto”. Schwarz legt vor und sieht “bis zum Jahr 2020 auf den deutschen Straßen mindestens eine Million Elektrofahrzeuge”. Grün setzt nach und verdoppelt die angepeilte Zahl der Elektromobile. Und Gelb wird richtig neoliberal innovativ. Als subventionsfreien Kaufanreiz befürwortet die FDP die Einführung von Wechselkennzeichen für Elektroautos als Zweitwagen. Ach, wie schön ist Jamaika.

Aber wo fahren sie denn? Was die Bereitstellung der erforderlichen Verkehrsinfrastruktur betrifft, so ist die FDP nicht der Auffassung, dass der Staat Planung, Bau und Betrieb selbst durchführen muss: “ In vielen Fällen können Private das besser und effizienter.” Wer hätte das gedacht? Der CDU-Beitrag zum Thema: “ Wir werden PPP-Projekte beim Ausbau von Autobahnen weiterentwickeln.” Davon ist schätzungsweise sei 20 Jahren die Rede. Und auch der Ruf nach einer “starken Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG), um die Mittel effizienter und zweckgebunden zu bewirtschaften”, kommt altbekannt vor. So alt, dass der vermeintliche Tiger VIFG jetzt statt der Milchzähne gar keine Zähne mehr hat.

Herzerfrischend paradox dagegen der Schlachtruf der Linken.

Rücknahme der bürgerfeindlichen Beschleunigungsgesezte, keine neuen Autpbahnprojekte, keine Privatisierung des Straßennetzes und seiner Pflege”, heißt es in einem Atemzug mit “Ausbau Verkehrssicherheitsstruktur”. Wasch mich, aber mach mir den Pelz nicht nass – das funktioniert ebensowenig wie Planwirtschaft.

Die SPD setzt dagegen auf High Tech: Nach ihrem Programm sollen bis 2015 alle hoch belasteten Autobahnstrecken “komplett mit modernen Verkehrssteuerungs- und –managementsystemen” ausgerüstet sein, um Staus zu vermeiden. Wer soll das bezahlen? Die CDU schlägt vor: “Der Verkehrshaushalt muss dauerhaft so ausgestattet sein, dass die Lkw-Mauteinahmen für die Verbesserung der Infrastruktur verwendet werden.” Da reibt man sich die Augen – genau das sollte seit Einführung der Maut der Fall sein. Und die Liberalen haben sich ins Programm geschrieben: “Jeder soll die von ihm verursachten Kosten für Infrastruktur und Umwelt tragen.” Wie soll das der Bürger bitte verstehen? Etwa so: FDP ist für Pkw-Maut?

Die Reihe von verbalen Kabinettstückchen aus den Partei-Programmen ließe sich beliebig fortführen. Aber alles kein Grund, nicht zu wählen. dann hat man das Recht verwirkt, sich darüber aufzuregen.

 

Gelesen in der auto, motor und sport, Heft 21, vom 24. September