Archiv für 11. Oktober 2009

Null Toleranz

Ausnahmen fallen weg, Regeln werden schärfer: Die deutschen Städte sperren jetzt noch mehr Autobesitzer aus.

Neben seiner Arbeit als Verwaltungsfachmann ist Rene Nübel derzeit vor allem als Psychologe gefragt: “Im Moment klingelt ständig das Telefon”, berichtet der Sachgebietsleiter der Stadt Essen, “die Leite sind verzweifelt oder machen Stunk.”

In Nübels Amt für Verkehrs- und Baustellenmanagement laufen die Härtefälle der Umweltzone auf: Anwohner, die ihre Wohnung nicht mehr mit dem Auto erreichen. Ein älteres Ehepaar, das keinen Nachrüstfilter bekommt und nun seinen 190er- Diesel nicht mehr nutzen darf. Altmetallhändler, die keine Straßensammlungen mehr durchführen können.

Am 30. September sind im Ruhrgebiet alle Ausnahmegenehmigungen ausgelaufen, auch für Anwohner und Gewerbebetreibende. Verlängerungen werden (bis auf Notfälle wie Dialysepatienten) nicht gewährt. Null Toleranz.

Und nicht nur im Ruhrpott werden die Zügel angezogen: Deutschlandweit verschärfen im kommenden Jahr mindestens sieben Städte ihre Feinstaubregelungen. Dort reicht dann auch eine rote Plakette nicht mehr zum Befahren der Umweltzone, in Hannover und Berlin nicht mal eine gelbe – nur ein grüner Kleber garantiert freie Fahrt.

Die Verschärfungen sind höchst umstritten. Schließlich hat jüngst eine ADAC-Studie den Umweltzonen attestiert, sie führten zu keiner nennenswerten Verbesserung der Luftqualität. Günter Trunz, Leiter des Bereichs Verkehr und Umwelt beim ADAC Westfalen, stellt die Regelung generell infrage: “Ist es unter diesen Umständen verhältnismäßig, wenn Menschen nahezu enteignet werden, indem sie ihr Fahrzeug nicht mehr nutzen dürfen?  Ich habe da Zweifel.”

Gelesen in der Auto Bild, Heft 41, vom 09.10.2009